Calloselasma rhodostoma
Malayen-Mokassinotter
(Boie, 1827)
Kennzeichen: Die Malayen-Mokassinotter besitzt einen lanzenförmig dreieckigen Kopf, der sich deutlich vom Hals absetzt. Die Schnauze ist zugespitzt und sanft emporgewölbt. Die Grubenorgane zwischen Augen und Nasenöffnungen sind gut sichtbar. Zwei Prä- und gewöhnlich zwei Postocularia sowie ein Lorealschild sind für diese Art bezeichnend. Die Anzahl der Oberlippenschilde beträgt sieben oder acht, die der Unterlippenschilde gewöhnlich elf oder zwölf. Das Auge ist mäßig groß, die Pupille im Licht senkrecht geschlitzt. Calloselasma rhodostoma unterscheidet sich von allen anderen Grubenottern Asiens durch die ungekielten Kopf- und Körperschuppen, die die Rumpfmitte in 21 Reihen umgeben.
Die Grundfärbung der Oberseite ist hellrotbraun oder hellgraubraun mit winkligen dunkelbraunen, schwarz und weiss gesäumten Flecken, die paarig angeordnet sind oder abwechselnd stehen. Auf der Rückenmitte verläuft eine dunkle Längslinie. Ein breites, dunkelbraunes Band, das oben oder unten weisslich oder rosa eingefasst ist, verläuft vom Auge zum Mundwinkel. Die gelblichweisse Bauchseite ist dunkel gepunktet.
Länge: 80 bis 100 cm.
Herkunft und Lebensweise: Das Verbreitungsgebiet von Calloselasma rhodostoma erstreckt sich über Thailand, Kambodscha, Laos, Vietnam, die Malaiische Halbinsel und Java. Calloselasma rhodostoma ist nicht von Burma bekannt. Es ist aber durchaus möglich, daß die Art dort vorkommt, besonders in der Nähe der thailändischen Grenze.
Diese Grubenotter, die in Thailand Ngu Kappa genannt wird, bevorzugt ein Klima mit ausgeprägten Regen- und Trockenzeiten. Die Schlange, die stellenweise besonders in Meeresnähe häufig ist, lebt in lichten Waldungen, in Gummiplantagen, an Feldrändern und dringt selbst in Dörfer und Städte vor. Sie ist mehr dämmerungs- als nachtaktiv. Der Verfasser kennt die Malayen-Mokassinotter aus Westthailand aus der Umgebung von Sai Yok und am Nam Tok am Mae Nam Kwae Noi, wo diese Grubenotter in Teakwäldern häufig vorkommt.
Wegen ihrer braunen Färbung ist die Schlange im trockenen Grase nur schwer zu erkennen. Sie ist angriffslustig und beisst sofort zu, wenn sie sich gestört fühlt. Im Norden Malaysias verursacht sie jährlich etwa 700 Bissunfälle, von denen ungefähr 2 Prozent tödlich verlaufen; meist werden Landarbeiter auf Gummiplantagen gebissen.
Das Gift führt zu starken Ödemen und zu massiven Störungen im Mechanismus der Blutgerinnung. Aus diesem Grunde wird es in der Medizin in zunehmendem Masse zum Auflösen von innerhalb der Blutbahn gebildeten Blutgerinnseln verwendet.
Calloselasma rhodostoma frisst Eidechsen, Frösche und Mäuse. Die Schlange legt im August oder September ungefähr 10 bis 30 längliche Eier, aus denen die etwa 15 bis 16 cm langen Jungen nach 40 bis 50 Tagen schlüpfen. Das Weibchen übt sogar eine Art Brutpflege aus, indem es sich über die Eier legt und sie bei Gefahr verteidigt.
Haltung und Zucht: Zur Haltung von Calloselasma rhodostoma reicht ein mittelgrosser Behälter. Das Terrarium sollte hell stehen oder täglich zehn bis zwölf Stunden lang beleuchtet werden und weitgehend konstante Luft- und Bodentemperaturen zwischen 26 und 32'C aufweisen. Eine Nachtabsenkung der Temperatur um 2 bis 3 °C fördert das Wohlbefinden dieser Schlangen.
Als Bodengrund eignet sich ein Gemisch aus feinem Sand und Walderde mit einem Baumstubben oder einigen flachen Rindenstücken als Unterschlupf.
Ein grosses Weibchen von Calloselasma rhodostoma, das der Verfasser jahrelang in einem Terrarium (56 cm x 40 cm x 32 cm) pflegte, lebte unter einem hohlen Zierkork, den es so gut wie nie verliess. Das Tier war ungewöhnlich träge, lag stets tellerartig zusammengerollt und bewegte seinen Schwanz bei Erregung vibrierend hin und her. Vorbeilaufende Futtermäuse wurden in blitzartigem Vorstoss gepackt und bis zum Verenden zwischen den langen Giftzähnen gehalten.
Als Bepflanzung kann man Sansevierien oder einige Scindapsus Ranken verwenden, die bei genügend Licht und Feuchtigkeit gut gedeihen. Ein Trinkgefäss darf nicht fehlen. Hin und wieder sollte man warmes Wasser versprühen. Calloselasma rhodostoma zeigt sich ungewöhnlich träge, liegt oft tagelang auf einer Stelle oder in ihrem Versteck. Als Futter bietet man lebende und tote Mäuse, die die Schlange stets gern annimmt. Jungtiere fressen oft nur Frösche.
Die Malayen-Mokassinotter ist schon mehrmals im Terrarium nachgezüchtet worden. Die Männchen von Calloselasma rhodostoma sind kleiner und schlanker als die grossen und plumpen Weibchen.
Bei Bernd von Schroedes paarten sich die Schlangen im März und April. Die Eier wurden einige Wochen später abgesetzt und in feuchtwarmem Torf bei 28 bis 32 °C zur Entwicklung gebracht. In einem Gelege schlüpften nach 58 bis 60 Tagen, in einem anderen nach der ungewöhnlich kurzen Zeit von 35 Tagen die Jungen, die sich erst nach einigen Tagen häuten. Jungtiere fressen kleine Frösche und erst später junge Mäuse. Bei einem Mangel an Fröschen stopft man sie so lange mit unbehaarten Mäusen, bis sie selbständig Nahrung annehmen.
Über die Nachzucht der Malayen-Mokassinotter berichtet E. Koch recht ausführlich im September 1991. Die Jungtiere der genannten Art gelangten im Herbst 1985 mit einer Grösse von 15 bis 18 cm in seine Hände. Die Schlangen, die bereits einer Nachzucht entstammten, mussten anfänglich mit kleinen Fischen und Rinderherzstreifen zwangsgefüttert werden, wobei das Weibchen nach einem halben Jahr regelmässig Mäuse annahm, das Männchen jedoch recht unregelmässig gerade behaarte Mäuse frass und daher weiter zwangsernährt werden musste.
Am 22. 6. 1988 legte das Weibchen 13 Eier unter einer hohl liegenden Borke ab. Die Eier klebten zum Gelege zusammen. Das Weibchen lag mit abgeflachtem Körper in Tellerform, wie brutpflegend, über dem Gelege. Bereits einen Tag nach der Eiablage nahm es wieder Nahrung zu sich. Die Eier wurden bei 26 bis 28'C in einem Inkubator untergebracht. Zwölf der 13 Eier waren befruchtet. Ein Ei schrumpfte und setzte nach einigen Tagen Schimmel an, der jedoch nicht auf die gesunden Eier überging. Nach 37 Tagen schlüpften am 29. und am 30. 7. 1988 zehn Jungtiere. Ein weiteres Jungtier schlüpfte vier Tage nach Anschlitzen des Eies. In einem Ei befand sich ein voll entwickeltes, aber abgestorbenes Jungtier. Die jungen Calloselasma rhodostoma, die Körperlängen zwischen 140 und 160 mm aufwiesen, streiften 14 Tage nach dem Schlupf zum ersten Mal ihre Haut ab. Auch diese Jungtiere mussten wieder mit Rinderherzstreifen zwangsernährt werden. Trotz guter Verdauung starb etwa die Hälfte der Nachzucht.
Bericht von Ludwig Trutnau!
|